Die tage verliefen still, einige waren schon weg, definitiv meine ich. man war nicht über gebühr besorgt, man übersah gern die nachrichten, ausser denen, die von bevorstehenden untergängen berichteten. sonst war alles normal, nur gab es keine sommerlichen temperaturen hier, eher eine sanfte ahnung von eiszeit. die stand auch bevor, sagten einige. manche sahen die erde schon leergeputzt von menschen. andere träumten von radikalen verboten; sonst sollte alles bleiben, nur einiges würde tabusisiert, auch wenn die leute das nicht wollten. andere meinten, das blosse überleben sei so eine sache, so ganz ohne spass und grenzüberschreitungen.

jedenfalls stand ich morgens nicht gerne auf, rang mit schwarzen gedanken, bis ich mich dreingab; sollte der tag doch schwarz sein, ein entschlossenes verweilen über dem abgrund. danach ging es nur noch bergauf, aber, wie gesagt, mit finsterer entschlossenheit.

an der wand hängt der rote handabdruck einer verstorbenen freundin. man gewöhnt sich dran, dass man nichts ist. das ist nur am anfang ein gewöhnungsbedürftiger zustand. die anstrengung irgendetwas sein zu wollen, am besten natürlich etwas interessantes, besonderes, ist jedenfalls weg. weiterhin bestehen noch einige ideosynkrasien, die mit der köperlichkeit und einer geschichte einhergehen. die ist wohl eine last, aber das gewicht hält einen für eine weile am boden.

in einer biografischen darstellung liest man, dass der betreffende mensch ein grosses misstrauen gegen autoritäten pflegte. es war ihm sozusagen angeboren. im übrigen betraf die skepsis auch die selbstermächtigten autoritäten.

in einem anderen buch, das sich mit der gewalt und dem heiligen (la violence et le sacré) beschäftigte, konnte man nachlesen, dass gesellschaften, also auch die heutige, nach sehr primitiven atavistischen mechanismen funktionieren. das ergab eine gewisse desillusionierende demontage.

daraus folgerte ich für meinen teil, dass man einiges nicht persönlich zu nehmen hat. auch wenn es lästig sein mag.

inzwischen ist selbstzensur nicht mehr mode, sondern allerhöchste verordnung. es wurde eine kategorie kreiert, die schädliche aber richtige information visiert. diese wird nicht zensiert sondern autozensiert. unterlassene autozensur ist strafbar. das erschafft ein flottement in geist und gefühl, um nicht zu sagen einen schwankenden geistigen boden.

inzwischen regnet es und das thermometer meldet sechzehn grad. man denkt, dass alles einmal aufhört, enfin, man selber jedenfalls und bei manchen schriftstellern findet man entgegen allen vorurteilen sogar einen trost. die meisten romane und filme pflegen ja eher den style noir mit gelegentlichen, aber vorübergehenden aufhellungen.

morgens in seelischer schwärze aufzuwachen ist eine reine wohltat, die schwarzen flächen der welt (die katastrophen gebiete, verheerten landgegenden) kommen einem familiär vor wie alte bekannte. der relative wohlstand hier wird aufgewogen durch das elend dort und beide sind kausal verküpft, so dass morgens mit einem schlage die obszönität unseres sehr provisorischen daseins hier offenbar wird.

wie gesagt, es ist nicht einmal persönlich, also etwa dieser oder jene schuld oder auch man selber, sondern es ist allgemein wie ein böser zauber, der über allem liegt.

ich bin nicht einmal wütend über dies oder das, was ich als ungerecht oder deplaziert empfinde, sondern ich lebe halt in der schwärze. abgründe haben ebenfalls einen wenn auch morbiden charme und wenn nichts mehr geht, legt man sich halt auf die erde, meinetwegen auch im regen bei sechzehn grad und wartet auf nichts.

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